Wissen rund um Ihre Tiere.
12. Februar 2016 - Betreuung von Zuchtstuten
Bald beginnt wieder die Zuchtsaison, sei es, dass die Stute demnächst abfohlen wird oder sei es, dass dieses Jahr eine Stute neu gedeckt werden soll. Im Frühjahr 2015 veranstalteten wir ein Züchterseminar, das sich unter anderem auch der Betreuung der Zuchtstute widmete, nachfolgend einige Auszüge davon:
Wann ist der ideale Zeitpunkt zum Decken?
Stuten sind „saisonal polyoestrisch“, d.h. sie haben noch einen dem Wildpferd nachempfundenen Sexualzyklus, der dafür sorgt, dass ein Fohlen nicht „in die falsche Jahreszeit“ geboren wird (im Gegensatz zum Hausrind, bei dem dieser „Sicherheitsmechanismus“ weggezüchtet wurde). Dies bedeutet, dass eine normale Stute nur während der wärmeren Jahreszeit (bzw. an Tagen mit längerem Lichteinfall) zyklisch ist. Als Zyklus wird die Zeitspanne von einem Eisprung (Ovulation) zum nächsten Eisprung betrachtet. Er dauert in der Regel 21 Tage, wovon zwischen 3-5-7 Tage davon mit Rossesymptomen einhergehen. In der Natur wird die Stute während der Rosse sich dem Hengst nähern und ihre Deckbereitschaft ankündigen. Ausserhalb der Rosse wird sie seine Annäherungsversuche unmissverständlich abweisen. Der ideale Deckzeitpunkt (Zeitraum mit der maximalen Fruchtbarkeit) ist im April/Mai. Da die Besamung nicht immer im 1. Zyklus klappt, empfehlen wir Kontrolle der Stute ab Anfang März.
Alter der Stute: Obwohl eine Stute kein Klimakterium aufweist wie die Frau, muss dennoch mit zunehmendem Alter eine Reduktion der Fruchtbarkeit in Kauf genommen werden. Grundsätzlich gilt, dass ab dem 12. Lebensjahr die Chancen auf eine erfolgreiche Trächtigkeit abnimmt. Wir empfehlen deshalb, sich vorher schon klar zu werden, ob und wann man seine Stute decken möchte. Es ist zu bedenken, dass eine Trächtigkeit immer auch eine körperliche Herausforderung darstellt, deshalb sollte die Stute nicht nur keine vererbbaren Krankheiten (z.B. Hufrollenerkrankungen), sondern auch keine anderen schmerzhaften Leiden (Arthrose, Lungenerkrankungen etc) aufweisen.
Wahl des Hengstes/Deckmethode?
In den seltensten Fällen wird heutzutage im Natursprung (in der freien Herde) gedeckt, d.h. wir übernehmen die Wahl des Hengstes, die Art der Belegung („Sprung an der Hand“, Besamung mit Frisch- bzw. Kühl- oder Tiefgefriersperma) und bestimmen auch den Deck-Zeitpunkt.
Grundsätzlich mischen wir uns nicht bei der Hengstauswahl mit ein, weisen jedoch darauf hin, dass die Stute 70% am „Produkt“ beiträgt, der Hengst also weniger. Eine „Mischung“ aus 2 völlig unterschiedlichen Faktoren ergibt nicht das arithmetische Mittel, sondern ein „entweder-oder“ (je nachdem, ob eher die väterlichen oder mütterlichen Gene „durchschlagen“). Im Gegensatz zum Rind ist jedoch die Grösse des Hengstes nicht unbedingt mit zu erwartender Schwergeburt vergesellschaftet, da die Grösse der Gebärmutter (der Mama) die Grösse des Fohlens (zum Zeitpunkt der Geburt) bestimmt. Das ist eine sehr gute Einrichtung der Natur und wohl mitverantwortlich dafür, dass wir zum Glück ausgesprochen selten Schwergeburten bei Stuten sehen! Wir beraten aber selbstverständlich gerne bei der Hengstauswahl mit.
Frisch-/Kühl-/Gefriersperma? Gerade bei Hengsten im Turniereinsatz oder solchen mit grosser Nachfrage muss damit gerechnet werden, dass entweder kein Frisch-Sperma zur Verfügung steht oder die Spermaqualität wegen der körperlichen Anstrengung leidet. Lange Transportdistanzen können ebenfalls einen negativen Effekt auf die Spermaqualität haben. Der Vorteil des Tiefgefriersperma (TG) ist sicherlich die Unabhängigkeit vom Einsatzplan des Hengstes. Nachteil des TG ist jedoch, dass die Besamung sehr nahe der Ovulation (Eisprung) erfolgen muss, da aufgetautes Sperma nur ca. 6 Stunden überlebensfähig ist. Dies bedeutet, dass eine zu besamende Stute bis zu 3-4 x pro Tag mit Ultraschall untersucht werden muss, was wiederum bedeutet, dass die Stute nicht bei sich zuhause besamt werden kann, sondern für den Zeitraum um die Ovulation an die Klinik gebracht werden muss. Unser Erfolg mit TG Sperma ist zwar demjenigen mit Kühlsamen ebenbürtig, ist aber mit höheren Kosten verbunden.
Trächtigkeitskontrollen
Wir empfehlen eine erste Trächtigkeitskontrolle 16 Tage nach dem letzten Eisprung. Dies hat 2 wichtige Gründe. Erstens kann in diesem Stadium eine Zwillingsträchtigkeit entdeckt (und rechtzeitig reagiert) werden, zweitens wird die Stute, falls sie nicht konzipiert hat, wieder Anzeichen einer erneuten Rosse aufweisen. Wir verzichten auf noch frühere Untersuchungen, da am 14. Tag ein allfälliger Zwilling leichter übersehen werden kann und eine erneute Rosse noch nicht eintritt. Bei positivem Befund empfehlen wir eine 2. Trächtigkeitskontrolle zwischen dem 30. - 45. Tag, da kann sogar schon der Herzschlag des lebenden Föten dargestellt werden. Zwischen dem 60. - 80. Tag könnte zusätzlich das Geschlecht des Fohlens ermittelt werden, was wir nicht zwingend empfehlen, da wir glücklich sind, wenn die Trächtigkeit normal vorhanden ist. Früher war es üblich, am 1. Oktober nochmals eine manuelle Trächtigkeitskontrolle vornehmen zu lassen, da oft die Deckgebühren auf diesen Zeitpunkt hin fällig wurden. Wir empfehlen spätere Trächtigkeitskontrollen nur noch im Zusammenhang mit allfälligen schweren Erkrankungen (Koliken, hochfieberhafte Erkrankungen) oder bei Stuten mit vorgeschichtlichen Abortproblemen. In diesen Fällen wird die Plazentadicke regelmässig kontrolliert.
Zwillinge-doppeltes Glück? Leider nein! Die Ernährung des Föten während der Trächtigkeit erfolgt über „Diffusion“ (d.h. alle Schichten der Plazenta bleiben intakt, es kommt nicht zum Einwachsen des fötalen Gewebes in die mütterliche Blutbahn, wie es z.B. beim Menschen der Fall ist. Dies verhindert nicht nur ein Übertreten von Abwehrstoffen von der Mutter zum Kind, sondern auch eine herabgesetzte Nährstoffleistung. Die Gebärmutter der Stute ist so konzipiert, dass sie genügend Nährstoffe für ein Fohlen, nicht jedoch für zwei zur Verfügung stellen kann. Läuft eine Zwillingsträchtigkeit unbemerkt weiter, ist das Risiko sehr gross, dass zwei überlebensschwache oder tote Fohlen vorzeitig geboren werden. Zusätzlich ist eine Zwillingsträchtigkeit auch eine grosse Belastung für die Stute selbst. Deshalb wird in der Regel eine Zwillingsreduktion (Elimination eines Föten) vorgenommen, wenn es entdeckt wird.
Komplikationen während der Trächtigkeit:
Sind zum Glück selten. Leider ist eine (übersehene) Zwillingsträchtigkeit eine der häufigsten Ursache von Komplikationen während der Trächtigkeit (Aborte ab dem 9. Monat), deshalb sind die frühen Ultraschalluntersuchungen sehr wichtig. Missbildungen sind selten (die Natur scheint hier recht gut selbstregulierend einzugreifen - Missbildungen werden selten ausgetragen, sondern im Frühstadium resorbiert). Auf den Virusabort (ab dem 6. Trächtigkeitsmonat) wird im Kapitel über Impfungen eingegangen. Die folgenden 3 Komplikationen zählen zu den häufigeren:
a) Bauchwandabriss/Anriss: Ein durch das erhöhte Gewicht und möglicherweise abrupte Bewegung ausgelöster Anriss der Bauchwand am Becken: Dabei kommt es zu einer Verlagerung des Euters nach vorne/unten und Schwellung (Blutungen) im Bereich des Risses. Eine operative Behandlung ist nicht möglich. Es besteht die Gefahr, dass die Stute in der Geburt ungenügend pressen kann, deshalb muss sie gut überwacht werden. Die Bewegung ist einzuschränken (kein unebenes Gelände, aber ruhig grasen lassen ist ok).
b) Torsio uteri (Verdrehung der Gebärmutter): Dies kann ab dem 7. Trächtigkeitsmonat auftreten. Die Symptome sind gleich wie bei einer Kolik (Bauchschmerzen, wälzen). Der Tierarzt ist beizuziehen, der die Diagnose mittels rektaler Untersuchung stellen kann. Je nach Situation wird die Stute (in Vollnarkose) „gewälzt“ oder die Drehung wird chirurgisch (stehend oder in Vollnarkose) gelöst.
c) Plazentitis (Entzündung der Gebärmutterwand und der Eihäute): auch diese Erkrankung wird vor allem im letzten Trächtigkeitsdrittel beobachtet. Die Ursache ist nicht ganz klar, es handelt sich um eine Infektion, entweder aufsteigend via Gebärmutterhals, oder hämatogen (d.h. via Blutbahn). Symptome sind vorzeitiges Aufeutern, evtl. mit Milcheinschuss, sowie eitriger Vaginalausfluss. Wird die Erkrankung früh genug bemerkt, kann sie erfolgreich mit Antibiotika und Trächtigkeitshormonen (zur Verhinderung wilder Wehen), sowie Entzündungshemmern behandelt werden. Als mögliche Früherkennung bei Problemstuten empfiehlt sich eine transrektale Ultraschalluntersuchung zur Messung der Plazentadicke sowie Hormonbestimmungen (Progesteron).
Impfungen/Entwurmungen der trächtigen Stute
Das equine Herpesvirus 1 (EHV-1) ist der gefürchtetste Aborterreger in grossen Gestüten, da es hochansteckend ist. Leider ist der Impfschutz selbst bei gewissenhafter Impfung (im 5./7./9. Monat der Trächtigkeit) kein 100%iger Schutz. Trotzdem empfehlen wir die Impfung, vor allem, wenn im gleichen Bestand auch noch Pferde auf Turnier gehen, wobei diese grundsätzlich nicht mit den tragenden Stuten in Kontakt kommen sollten. Dasselbe gilt für Jährlinge, da diese sehr oft symptomfreie Träger des Virus sein können. Eine sehr wichtige Impfung ist die Impfung gegen Influenza/Tetanus im 10. Trächtigkeitsmonat. Diese Impfung ist nicht so sehr als Schutz für das Muttertier gedacht (die meisten Pferde bei uns werden ja regelmässig geimpft) sondern als wichtige Vorbereitung für das Fohlen. Wenn die Mutter 1 Monat vor dem Abfohltermin (unabhängig von ihrem aktuellen Impfstatus) geimpft wird, erreichen wir maximale Antikörperspiegel (Abwehrstoffe) in der Kolostralmilch. Die Kolostralmilch ist die allerwichtigste „Impfung“ für das Neugeborene! Fohlen kommen gänzlich ohne Abwehrstoffe zur Welt. Sie sind deshalb darauf angewiesen, so rasch als möglich (innerhalb 2 Stunden nach der Geburt!) qualitativ hochstehende Kolostralmilch zu bekommen. Besteht die Möglichkeit, bei einer Stute, die schon mehrfach geboren hatte, etwas Kolostralmilch abzumelken und einzufrieren, sollte das unbedingt gemacht werden. Damit kann man dem Fohlen einer erstgebärenden Stute (die oft weniger und qualitativ schlechtere Kolostralmilch hat) helfen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch zu wissen, dass heutzutage nicht mehr gegen „Fohlenlähme“ geimpft wird. Der Grund ist, dass ein Fohlenlähme-Impfstoff nie die gleich gute Zusammensetzung an Abwehrstoffen hat, wie die eigene Muttermilch. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Stute mindestens 2 Wochen vor der Geburt nicht mehr in eine andere Umgebung gebracht wurde (ihr Immunsystem braucht mind. 2 Wochen zur Bildung der Antikörper gegen die Bakterien im Stall) und dass das Fohlen auch wirklich trinkt.
Entwurmungen sollten grundsätzlich nicht während des ersten Drittels der Trächtigkeit vorgenommen werden (idealerweise wird die Stute noch vor der Besamung entwurmt). Danach können mehr oder weniger alle Wurmkuren bedenkenlos eingesetzt werden (trotzdem empfiehlt sich ein individuelles Vorgehen nach Rücksprache mit uns). Ein grosses Problem stellt sich mit den Spulwürmern, deren Larven um die Geburt ins Euter wandern und so die Fohlen direkt nach der Geburt infizieren können. Auch das Kotfressen der Fohlen, in den ersten Lebenswochen zwar normal (zur Aufnahme der Darmflora), kann aber ebenfalls zur Aufnahme von Parasiten führen, wenn die Stute Würmer ausscheidet. Zudem haben wir generell immer mehr Resistenzprobleme, weshalb eine Kontrolle der Wirksamkeit der eingesetzten Antiparasitika mittels koprologischer Untersuchung überprüft werden muss.
Fütterung der trächtigen Stute
Das Rauhfutter bzw. Gras („Doctor Green“) ist auch bei der trächtigen Stute der Hauptnahrungsbestandteil. Entgegen der häufigen Annahme, die Stute müsse während der Trächtigkeit für zwei essen, braucht eine trächtige Stute nicht viel mehr Kalorien als andere Pferde - aber top Qualität! Die höchste Körperleistung wird sie erst ab dem 2. Laktationsmonat erreichen, da sie dem wachsenden Fohlen genügend Nahrung in Form der Milch zur Verfügung stellen muss. Da eine Futterumstellung nie abrupt stattfinden sollte, kann deshalb gegen Ende der Trächtigkeit begonnen werden, wenig (!) Zuchtstutenfutter zu geben. Zuchtstutenfutter hat einen höheren Eiweissgehalt als normales Pferdefutter, was für den Muskelaufbau des Fohlen wichtig ist. Da unsere Böden grundsätzlich arm an Selen sind, sollte unbedingt auch ein entsprechendes Mineral-Vitamingemisch gegeben werden. Vitamin E ist für den Nerven- und Muskelaufbau des Fohlens ebenfalls sehr wichtig. Frisches, grünes Gras enthält viel Vitamin E. Hat die Stute nur wenig Gras bzw. hauptsächlich Heu, muss Vitamin E zugefüttert werden. Trotz Zufütterung empfehlen wir grundsätzlich, jedes Fohlen nach der Geburt zusätzlich mit einer Vitamin E/Selen Paste zu supplementieren, da der wachsende Organismus eine deutlich höheren Bedarf hat als das erwachsene Tier.
Förderung der Antikörperspiegel in der Kolostralmilch: Einige Studien haben gezeigt, dass die Supplementierung mit Pflanzenöl (z.B. Lein-, Raps- oder Sonnenblumenöl) die Konzentration der Antikörper (Immunglobuline) in der Kolostralmilch erhöht. Zusätzlich hat Oel eine leicht abführende Wirkung, was im Hinblick auf die Geburt (und der damit verbundenen körperlichen Anstrengung/Schwitzen) ebenfalls förderlich ist. Aber vorsichtig dosieren! Oel ist eine Kalorienbombe, und wenn die Stute eh zu etwas Übergewicht neigt, sollte wirklich nur wenig gegeben werden. Für die Geburt ist es besser, wenn die Stute zwar gut genährt, aber nicht dick ist (Grundsatz: Rippen sollten nicht gesehen, aber gut gespürt werden können).
Geburtsvorbereitungen/Geburtsüberwachung
Die Trächtigkeitsdauer der Stute hat eine enorm grosse normale Spannbreite: 340 +/- 20 Tage! Dies kann bedeuten, dass man bis zu einem Monat jede Nacht lang mit Herzkopfen aufwacht… Eine normale Geburt findet zumeist nachts statt, wenn es ruhig ist im Stall. Darum ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass nicht plötzlich alles umgestellt wird. Die Abfohlbox sollte (wegen der Bakterien in der Umgebung) spätestens 2 Wochen vor dem errechneten Termin bezogen werden. Hygiene (saubere Einstreu, regelmässige Reinigung der Genitalien und des Euters der Stute mit warmem Wasser und mildem Shampoo (keine desinfizierenden Seifen) sind wichtig.
Wann ist es soweit? Einige (aber nicht alle!) Stuten zeigen vor der Geburt „Harztropfen“ am Euter, d.h. Austreten eines klebrigen, gelblich weissen Sekretes an der Zitzenspitze. Die Beckenbänder erschlaffen vor der Geburt, der Bauch kann sich merklich absenken. Aber alle diese Symptome sind nicht sehr zuverlässig. Vor allem erstgebärende Stuten können wirklich am Vorabend überhaupt noch nichts zeigen und gerade bei ihnen ist es wichtig, im Notfall rasch einschreiten zu können. Es gibt deshalb verschiedene Überwachungssysteme: Kameras (Infrarot, so dass nicht extra das Licht angelassen bleiben muss) nützen natürlich nur, wenn man nicht vor der Kamera einschläft. Gurte („Foal alert“ mit Sensoren), die eine flache Lagerung der Stute melden, sind sehr zuverlässig, allerdings muss mit einer Reihe von Fehlalarmen gerechnet werden (lieber einmal zu viel kontrollieren als einmal zu wenig). Gurte können z.B. bei SOS Fohlen (Pierre Matile) gemietet oder gekauft werden. Unsere Klinik verleiht ebenfalls einen Gurt. In grösseren Gestüten werden Mikrochips in die Scheide eingenäht, die beim Eintreten der Beine des Fohlens in den Geburtskanal einen Alarm auslösen. Dies ist praktisch, wenn der Geburtshelfer sehr nahe ist, da keine Zeit mehr verloren werden darf. Die Kosten sind aber derart hoch, dass es sich für einzelne Geburten nicht lohnt.
Eine sehr elegante Methode, die nahende Geburt abschätzen zu können, ist die Messung des pH oder des Kalziums in der Stutenmilch. So kann immer jeweils abends eine kleine Menge (1 ml reicht) Milch von der Stute abgemolken und getestet werden. Leider kann dies bei erstgebärenden Stuten wiederum problematisch sein, da sie evtl. noch gar keine Milch vor der Geburt produzieren. Verliert eine Stute richtig viel Milch vor der Geburt (im Strahl), dann sollte diese Milch aufgefangen und für später eingefroren werden. Ein hoher Milchverlust vor der Geburt kann zu einer Reduktion der Immunglobuline in der Kolostralmilch führen.
Ausrüstung zur Geburtsvorbereitung
- Saubere dicke Einstreu
- Euter und Vulva reinigen (mit warmem Wasser), evtl. Schweif einbandagieren (nicht zu viel Druck!)
- Handschuhe
- Taschenlampe
- Uhr
- Thermometer
- Sterile Schere
- Gleitgel und Geburtsketten (nur für Erfahrene!)
- Milde Desinfektionslösung (z.B. Betadine oder Chlorhexidin Lösung)
- Nabelklemmen
- Litermass, Trichter, Filter, Schoppenflasche (z.B. für Lämmer)
- Klistier (für das Darmpech des Fohlens)
- Telefonnummer Tierarzt *41-61-722 10 10
- Telefonnummer SOS Fohlen *41-31-331 83 83
Im Normalfall geht die Geburt so rasch, dass einem kaum Zeit zum Nachdenken bleibt und natürlich ist die Freude gross, wenn ein lebendes Fohlen da ist! Doch nun folgen nochmals ein paar sehr kritische Stunden.
Die ersten 12 Stunden des Fohlens
Wie schon zuvor erwähnt, wird das Fohlen ohne Immunschutz geboren. Als Fluchttier ist es darauf angewiesen, so rasch wie möglich aufzustehen und der Mutter zu folgen. Das ist eine wichtige und sehr anstrengende Zeit, sowohl für die Mutter als auch das Fohlen. Um keine potentiell lebensbedrohliche Veränderungen zu verpassen, lohnt es sich, die zeitliche Abfolge mit Hilfe einer Stoppuhr gut im Auge zu behalten.
Dafür hilft folgende Tabelle:
Die ersten Stunden des Fohlens:
Innerhalb 2 Stunden nach der Geburt: Steht, sucht Euter, trinkt (Achtung! Schmatzende Geräusche heissen nicht zwingend, dass das Fohlen auch wirklich trinkt! Man muss den richtigen Schluckakt am Hals beobachten können). Nabelkontrolle (nur mit Handschuhen anfassen): ist er feucht oder schon eingetrocknet? Konstante Feuchtigkeit kann auf einen persistierenden Urachus (Verbindung Harnblase mit Nabel) hinweisen.
Innerhalb von 4 Stunden: Abgang des Darmpechs: dunkler, harter Kot wird ausgepresst. Manchmal zeigt das Fohlen dabei leichte Kolik. Milch ist das beste Abführmittel - je mehr das Fohlen trinkt, umso aktiver ist der Darm. Sobald der Kot eine helle (ockerfarbene) Farbe angenommen hat, weiss man, dass alles Darmpech abgegangen ist. Koliksymptome sind ernst zu nehmen und behandeln zu lassen, da bei einer Bauchpresse auch eine Blasenruptur ausgelöst werden kann.
Innerhalb von 6 Stunden: Harnabsatz. Der Urin der neugeborenen Fohlen ist sehr hell, da sie noch nicht konzentrieren können. Je mehr ein Fohlen trinkt, umso mehr Harn wird es produzieren.
Die Zeitangaben können selbstverständlich etwas variieren. Zu bedenken ist aber, dass die ersten 12 Stunden entscheidend sind. In dieser Zeit muss das Fohlen auch eine Bindung an seine Mutter herstellen. Diese wird alles daran setzen, dass sich niemand dem Fohlen nähert (sowohl andere Pferde als manchmal auch der Mensch). Dies ist normal, da das Fohlen erst lernen muss, zu wem es gehört. Die Stute darf deshalb keinesfalls gemassregelt werden, sondern sanft beruhigt und evtl. mit etwas Belohnungsfutter abgelenkt werden, wenn das Fohlen untersucht werden muss. Immer darauf achten, dass sie das Fohlen in Sichtkontakt hat! Sie wird auch innerhalb der ersten 2 Stunden nochmals leichte Kolik im Zusammenhang mit dem Abgang der Nachgeburt haben. Die Nachgeburt sollte sofort sichergestellt werden, damit der Tierarzt diese später auf Vollständigkeit überprüfen kann.