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07. April 2014 - Hufrehe-Gefahr im Frühjahr und Ende Sommer von Dr. Verena Bracher
Die Tage werden länger (im Frühjahr) bzw. wieder kürzer (im Spätsommer/Herbst) und dabei sinken nachts die Temperaturen oft unter 7 Grad Celsius - dies ist die kritischste Zeit, in der die Hufrehe wieder bei gefährdeten Pferden auftritt! Nachfolgend möchten wir Euch darum praktische Tipps zur Verhinderung dieser furchtbaren Erkrankungen auf den Weg in einen schönen Sommer geben.
Welche Pferde sind Hufrehe gefährdet?
In unserer Pferdepopulation spielt das „Equine Metabolische Syndrom“ (abgekürzt „EMS“) die wichtigste Rolle bei der Entstehung einer Hufrehe. Ein anderer, ebenfalls bedeutsamer Auslöser ist das „Equine Cushing Syndrom“ (ECS), eine Überfunktion der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) bei älteren Pferden. Beide Erkrankungen können manchmal auch gemeinsam auftreten. Bei beiden Erkrankungen stellt die Fütterung die wichtigste Massnahme, sowohl zur Therapie als auch Prophylaxe dar.
Hufrehe kann durch eine Vielzahl von verschiedenen Ursachen ausgelöst werden (Nachgeburtsverhalten bei der Zuchtstute, „Überfressen“ bei ausgebüxten Pferden in den Futterraum, Endotoxämie (innere Vergiftung) bei schweren Darmerkrankungen, Überbelastung einzelner Gliedmassen (bei Frakturpatienten) usw. usw.) Im folgenden werden die Massnahmen bei einer fütterungsbedingten (Fruktan-induzierten) Hufrehe aufgelistet.
Fruktane sind „Pflanzenzucker“ und bilden zusammen mit den einfachen Zuckern den Hauptbestandteil der wasserlöslichen Zucker der Pflanze. Fruktane (und nicht wie früher angenommen Eiweisse) im Futter (hauptsächlich Gras, aber auch im Heu) sind für die Hufrehe bei Pferden mit „metabolischem Syndrom“ verantwortlich. Anfällige Pferde weisen einen veränderten Zuckerstoffwechsel auf und sind von aussen meist daran erkennbar, dass sie „leichtfuttrig“ (und leider oft auch unterbeschäftigt) sind. Ponies, Esel und die iberischen Rassen sind hier speziell gefährdet und sind darum sehr oft übergewichtig, was wiederum das Risiko erhöht-ein richtiger Teufelskreis, da es nicht gut möglich ist, ein erkranktes Pferd zu bewegen.
Welche Faktoren begünstigen bzw. reduzieren den Fruktangehalt in den Pflanzen der Weide?
Grundsätzlich werden produzierten Fruktane für das Pflanzenwachstum gebraucht. Dies bedeutet, dass eine gut wachsende Graspflanze in Anwesenheit von genügend Dünger und Wasser keinen hohen Fruktangehalt aufweist! Dies ist wichtig zu wissen, da man annehmen könnte, dass das Weglassen von Dünger und Bewässerung zu einer geringeren Gefahr führen würde. Dem ist nicht so! Umgekehrt bedeutet aber natürlich mehr Gras (bei vermehrtem Wachstum) auch vermehrte Aufnahme, d.h. die Weidezeit muss bei grossem Grasangebot auch entsprechend verkürzt werden. Das Wachstum wird zu Beginn der Blüte abgeschlossen. Dann steigt der Fruktangehalt der Pflanze entsprechend wieder an.
Eine „gestresste“ Pflanze jedoch produziert vermehrt Fruktane (sozusagen als Notvorrat), die sie jedoch nicht im Wachstum umsetzen kann, wenn die Wachstumsbedingungen schlecht sind: Ungenügende Nährstoffe (Dünger), zu wenig Wasser (Dürre, vor allem im Hoch-oder Spätsommer), kalte Nächte (Gefahr des Erfrierens der empfindlichsten Pflanzenteile).
Aus diesem Grund sehen wir auch sehr oft 2 verschiedene Schübe von Hufrehe:
- Im Frühjahr (wo wir es auch erwarten)
- wieder im Hoch-oder Spätsommer (lange Dürreperioden bzw. kühle Nächte)
Nachfolgend sind die wichtigsten Risiko-Faktoren aufgelistet, die dabei helfen können, zu entscheiden, ob und zu welcher Tageszeit ein „Risiko-Pferd“ geweidet werden darf.
:( Erhöhung des Fruktangehaltes
- Hohe Lichtintensität (strahlende Sonne)
- Kühle Temperaturen ( ≤ 7°C)
- Nährstoffarmer Boden
- Austrocknung
- Wachstumsstadium gering: Blühen
- Nachmittag/Abend
:) Erniedrigung des Fruktangehaltes
- Niedrige Lichtintensität infolge Bewölkung
- Warme Temperaturen (15-25°C)
- ausgewogene Stickstoff-Düngung
- ausgewogene Bewässerung
- starkes Wachstum, nach Aussaat
- Vormittag
Quelle: Starch, sugars and fructans: What are they and how important are they in diets for horses? A.C. Longland, 2007, Laminitis Conference, London
Mähen vor dem 1. Weidegang?
Eine gängige Praxis ist oft, das Gras vor der Beweidung zu mähen. Dies führt zwar zu einer Reduktion der Grasmenge, die Pflanz selbst wird aber durch das Schneiden gestresst, d.h. wir finden in den verbleibenden „Stummeln“ einen höheren Fruktangehalt (pro g) als in der intakten Pflanze! Andererseits ermöglicht natürlich eine Ruhezeit der Weide (bis zum ersten Blühen und anschliessendem Schnitt, z.B. Heu-Ernte) eine gewisse Erholung für den Boden, was auch positiv sein kann.
Darf mein Pferd überhaupt noch auf die Weide?
Wir alle kennen diese nimmersatten Ponies, die bei ersten Schritt auf die Weide den Kopf senken und ihn nicht mehr anheben…. Selbst zum Abschlucken wird keine Pause eingelegt….. Nein, solche Pferde dürfen entweder nicht mehr auf die Weide (was sehr traurig wäre) oder man schränkt deren Futteraufnahmekapazität ein - mit Hilfe eines speziellen Maulkorbs, der es dem Pferd zwar noch ermöglicht, Gras aufzunehmen, allerdings in einem stark reduzierten Tempo. Diese Maulkörbe sind im Fachhandel erhältlich und es ist erstaunlich, wie schnell unsere Pferde kapieren, dass das Anlegen dieses Maulkorbs den Weidegang ankündigt, weshalb er von den Pferden geliebt wird! Wichtig ist beim Anlegen, dass das Entstehen von Scheuerstellen vermieden wird.
Zufüttern von „protektiven Futtermitteln“?
Es sind verschiedene Futtermittel und Vitamin-Mineralstoffpräparate im Handel, die einen Schutz vor der Rehe versprechen. Dies kann bei untergewichtigen Rehepatienten Sinn machen, nicht jedoch bei denjenigen Pferden, die eh schon übergewichtig sind (und das sind die meisten).
Medikamentelle Unterstützung: Ein Pferd mit einem akuten Reheschub bedarf tierärztlicher Betreuung für eine angepasste Behandlung der Entzündung und Schmerzen-dies ist tierschutzrelevant! Pferde mit einer Hypophysenüberfunktion („Cushing“) können mit einem spezifischen Medikament in Tablettenform sehr gut eingestellt werden. Eine einfache Blutuntersuchung unterstützt dabei sowohl die Diagnose als auch den Therapieverlauf.
Hufpflege: egal, ob Barhuf oder beschlagen-die Hufe müssen kontinuierlich im Auge behalten werden, wobei das Hauptaugenmerk darauf gelegt wird, die Zehen kurz zu halten und ein gutes Abrollen über die Zehe sicherzustellen (der Abrollpunkt sollte sich hinter der Spitze des Hufbeins befinden, dies kann durch röntgenologische Untersuchungen verifiziert werden).
Bewegung: Das A und O! Gerade unsere leichtfuttrigen Pferderassen (Ponies, Esel, Iberer) können nur mit Diät alleine kaum abgespeckt werden. Eine regelmässige Bewegung (sobald die Schmerzen abgeklungen sind und die Hufe entsprechend beschlagen oder gepflegt wurden) ist nicht nur eine der sichersten Methoden, das Gewicht unter Kontrolle zu bekommen, sondern kann auch die Prädisposition zum EMS reduzieren. Was bedeutet, dass wir unserem Pferd wieder vermehrt Weidegang gewähren können!
Und jetzt einen schönen Sommer für euch und eure Pferde!