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06. März 2018 - Kolik bei der hochträchtigen Stute


Kolik ist grundsätzlich schon eine gefürchtete Notfallsituation, erst recht, wenn davon zwei Leben betroffen sind, wie im Fall der hochträchtigen Stute mit ihrem ungeborenen Fohlen.

 

Sowohl vor als auch kurz nach der Geburt ist eine Stute anfälliger für Koliken. Dies liegt daran, dass in diesem Stadium der Trächtigkeit das Wachstum des Fohlens am grössten ist und es deshalb immer mehr Platz im Bauch der Mutter einnimmt, um nach der Geburt plötzlich wieder viel freien Raum im Bauch zu ermöglichen. Beides hat direkte Konsequenzen auf die Verdauung.

 

Ausserdem können Koliken in diesem Stadium auch direkt durch Gebärmuttererkrankungen ausgelöst werden, wovon die wichtigste sicherlich die Gebärmutterverdrehung (Torsio uteri) darstellt, aber auch eine Entzündung des Mutterkuchens (Plazentitis) kann - nebst anderen Symptomen, die weiter unten noch besprochen werden - Koliken auslösen.

 

Grundsätzlich gilt, dass eine Stute im Stadium der Hochträchtigkeit eher mal eine Fresspause einlegt oder „wählerischer“ ist, was als normal betrachtet werden kann, solange sie ruhig ist. Zeigt sie jedoch Koliksymptome (scharren, wälzen, abliegen und wieder aufstehen) muss sofort reagiert werden. Als erste Massnahme sollte das Euter und die Vulva betrachtet und die Rektaltemperatur gemessen werden. Ausserdem sollte auf Kotabsatz geachtet werden und allfällige Bollen eingesammelt und zur Seite gelegt werden, damit sie dem Tierarzt gezeigt werden können.

 

Als Regel gilt, lieber einmal zu früh den Tierarzt zu rufen als zu spät. Manchmal handelt es sich nur um ein kurzes Unwohlsein, ausgelöst durch etwas heftigere Bewegungen des Fohlens („wilde Wehen“). Aber es können auch schwerwiegendere Ursachen in Frage kommen, bei denen die Zeit eine sehr wichtige Rolle spielt. Der Tierarzt kann mittels krampflösenden Medikamenten eine rasche Beruhigung der Situation erreichen und gleichzeitig mit einer rektalen Untersuchung wichtige Erkenntnisse gewinnen und dabei entscheiden, ob zusätzlich eine Ultraschalluntersuchung angezeigt ist. Im folgenden werden die für hochträchtige Stuten spezifischen Kolikursachen aufgelistet:


1. (Drohender) Abort (Viruabort und Plazentitis): 
Vorzeitige Wehen äussern sich in Koliksymptomen. Als Auslöser kommen virale Infektionen (insbesondere das Equine Herpes Virus 1, EHV-1), toxische Ursachen (Mykotoxikosen, dh. Schimmelpilzvergiftung), aber auch eine aufsteigende bakterielle Infektion des Mutterkuchens (Plazentitis) in Frage. Beim Virusabort (EHV-1) verläuft der Abort so fulminant, dass er nicht mehr aufgehalten werden kann, das Fohlen kommt entweder tot oder lebensschwach zur Welt, oft gleichzeitig mit der Nachgeburt. Die Stute selbst zeigt kaum Krankheitsanzeichen und muss nicht speziell behandelt werden, aber es gilt, vor allem, wenn sich noch weitere trächtige Stuten auf dem Betrieb befinden, eine Ausbreitung der hochansteckenden Erkrankung zu verhindern. Speziell das Fruchtwasser und die Nachgeburt sowie das Fohlen tragen den Erreger. Deshalb muss auf peinlichste Hygiene geachtet werden: die Nachgeburt muss sofort an Ort und Stelle flüssigkeitsdicht verpackt werden. Auch die Einstreu ist (mit Fruchtwasser) kontaminiert. Zur Untersuchung auf EHV-1 wird entweder Lunge oder Leber des Fohlens oder Nachgeburtsmaterial eingeschickt. Eine Blutprobe der Stute ist nicht notwendig. Das Personal muss sich komplett umkleiden, Hände, Stiefel etc müssen desinfiziert werden. Die Box darf selbst nach ausräumen der Einstreu nicht für andere trächtige Stuten gebraucht werden oder, falls nicht anders möglich, ebenfalls gründlich gereinigt (Hochdruckreiniger) und desinfiziert werden. Eine Impfung der anderen trächtigen Stuten ist in diesem Moment nicht mehr sinnvoll, wenn deren Trächtigkeit schon fortgeschrittener als 6 Monate ist (das EHV-1-Impfschema beträgt 3 Impfungen im Abstand von jeweils 2 Monaten, beginnend in 5. Monat). Doch selbst bei korrekter Impfung kann durch den Kontakt mit kontaminiertem Material ein Abort ausgelöst werden!


Bei einer Plazentitis hingegen kann, falls früh genug entdeckt, der Abort medikamentell verhindert werden. Als Auslöser der Plazentitis wird eine aufsteigende Infektion von Mikroorganismen (Bakterien, Pilze) aus der Scheide durch den ungenügend verschlossenen Gebärmutterhals in die Gebärmutter vermutet. Allerdings können Mikroorganismen auch via Blutkreislauf in die Plazenta gelangen. Typischerweise stellt man Vaginalausfluss und eine vorzeitige Schwellung des Euters (bis zum Milcheinschuss) fest. Auch Fieber ist möglich. Koliksymptome können fehlen oder nur sehr mild sein. Die Diagnose wird aufgrund der klinischen Befunde sowie einer Ultraschalluntersuchung (Messung der Plazentadicke im Beckenbereich) gestellt. Die Therapie besteht in der Gabe von Antibiotika, Entzündungshemmern und dem Trächtigkeitshormon Altrenogest (Regumate). Mit etwas Glück und einer sofortigen Behandlung kann so ein Abort noch gestoppt werden. Ist der Abort jedoch schon im vollen Gange, kann er nicht mehr gestoppt werden. Dann gilt es in erster Linie, die Gesundheit der Stute zu erhalten.

 

2. Kolik infolge Gebärmutterdrehung (Torsio uteri):
Im Gegensatz zur Kuh, bei der diese Erkrankung gar nicht so selten auftritt, ist diese bei der Stute zum Glück eher selten. Sie entsteht während der späten Trächtigkeit, ev sogar auch zu Beginn der Geburt, und wird durch heftige Bewegungen des Fohlens, ev kombiniert mit entsprechenden zusätzlichen Bewegungen der Mutter, ausgelöst. Allerdings ist die Diagnosestellung nicht einfach. Die Symptome sehen gleich aus wie bei einer „normalen“ Kolik, dh. die Stute zeigt unterschiedlich stark ausgeprägte Symptome wie Scharren, Wälzen, Futterverweigerung. Die Diagnose wird mittels Rektaluntersuchung gestellt, allerdings ist die Diagnosestellung nicht immer einfach. Besteht die Drehung länger, stirbt das Fohlen in der Gebärmutter ab, da die zuführenden Blutgefässe abgedrückt werden. Deshalb ist es auch hier sehr wichtig, so rasch wie möglich zu handeln. Eine spontane Rückdrehung der Gebärmutter ist nicht möglich.
Deshalb muss die Korrektur von aussen erfolgen, entweder durch Wälzen der Mutter (was nur in Vollnarkose machbar ist) oder durch einen chirurgischen Eingriff (Operation, bei der der Bauch der Mutter eröffnet und die Gebärmutter manuell durch den Chirurgen zurückgedreht wird). Dies wird zumeist ebenfalls in Vollnarkose, ausnahmsweise auch stehend unter Sedation und Lokalanästhesie, durchgeführt. Je länger die Drehung schon besteht, umso grösser ist das Risiko, dass nicht nur das Fohlen abstirbt, sondern auch die Gebärmutterwand zerreisst, was eine tödliche Komplikation darstellt.


3. Darmverwicklung/Verdrehungen:
Wie auch bei „normalen“ (dh. nicht trächtigen) Pferden kann es auch bei trächtigen Stuten zu einer Darmverwicklung oder –Verdrehung kommen, die nur chirurgisch gelöst werden kann. Die Diagnose ist jedoch schwieriger zu stellen, da bei der rektalen Untersuchung nicht wie sonst üblich veränderte oder verlagerte Darmteile gespürt werden können, da die grosse Gebärmutter mit dem drin liegenden Fohlen den Bauchraum fast vollständig ausfüllt und die veränderten Darmteile unerreichbar darunter liegen können. Hier ist Fingerspitzengefühl und Erfahrung notwendig, um abschätzen zu können, was notwendig ist. Manchmal kann eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes helfen, allerdings stellt sich auch hier das gleiche Problem der grossen Gebärmutter, die die anderen Organe überlagert und verdrängt. Ein nicht ansprechen auf Schmerzmittel, fehlender Kotabsatz und zunehmende Kreislaufbeeinträchtigung sind deutliche Hinweise darauf, dass eine Operation unumgänglich ist. Entgegen der oft geäusserten Meinung, eine Operation sei bei einer trächtigen Stute nicht möglich ohne Verlust des Fohlens ist dies sehr wohl möglich. Selbstverständlich werden dabei alle notwendigen Medikamente mit grosser Zurückhaltung eingesetzt, allerdings gilt in erster Linie, dass das Fohlen nur eine Chance hat, wenn man alles für die Mutter unternimmt, was möglich ist!

 

 

Was kann man als Züchter/in tun:

 

1. Angepasste Fütterung/ständiger Zugang zu Wasser

Wie oben schon erwähnt, nimmt gegen Ende der Trächtigkeit die trächtige Gebärmutter einen grossen Teil des Bauchraums ein. Die Stute sollte deshalb regelmässig nur kleine Portionen Kraftfutter bekommen (der Kraftfutterbedarf ist normalerweise sowieso nicht gross in diesem Stadium!). Heu von bester Qualität hingegen sollte ad libitum (zur freien Verfügung) angeboten werden.

 

Achtung, Stroh ist schwer verdaulich! Eine plötzliche Umstellung von Spänen auf Stroh ist deshalb gefährlich und sollte entweder sehr früh während der Trächtigkeit oder sonst gar nicht mehr vorgenommen werden. Ein extrem wichtiger Faktor ist zudem die Wasserversorgung: es ist unseres Erachtens unabdingbar, dass die Stute ständig Zugang zu frischem, sauberen Wasser hat. Dies aus dem einfachen Grund, dass eine ungenügende Wasserversorgung zu einer Eintrocknung des Darminhaltes und damit zu einer Anschoppungskolik führt, die wiederum die Gefahr einer Darmverlagerung begünstigt.

 

Ein ganz spezielles Augenmerk muss zudem auf die Fütterung der Stute direkt nach der Geburt gelegt werden, da in der nachgeburtlichen Phase das Risiko auf eine Torsio Coli (Dickdarmverdrehung) gross ist. Hier vermutet man, dass der plötzlich vorhandene freie Raum in der Bauchhöhle, verbunden mit allfälligen Nachwehen, die Darmverdrehung begünstigt. Zudem kann durch die Anstrengung und allfälligem Schwitzen eine Austrocknung erfolgen. Deshalb sollte die Stute nicht „zur Belohnung“ Kraftfutter erhalten, sondern wiederum qualitativ erstklassiges Heu und eventuell ein Mash (mit etwas Kochsalz) sowie temperiertes Wasser angeboten bekommen. In einigen Gestüten ist es üblich, den Stuten prophylaktisch Abführmittel via Magensonde zu verabreichen, was wir nicht empfehlen, da dies eine Stress-Situation für die Stute darstellen kann.

 

2. Korrekte Entwurmung

Parasiten können nicht nur zu Anämie und schlechter Futterverwertung, sondern auch zu gestörten Darmbewegungen führen. Diese wiederum können eine Darmverlagerung/Darmverwicklung begünstigen. Nur im ersten Drittel der Trächtigkeit wird empfohlen, Zurückhaltung bei der Entwurmung zu üben (Grund: möglicher Einfluss auf die embryonale Organentwicklung). Danach ist eine Entwurmung unproblematisch bzw. empfehlenswert, basierend auf einer parasitologischen Untersuchung.

 

Die empfohlene Entwurmung kurz vor der zu erwartenden Geburt basiert auf der Grundlage, dass man eine Infektion des Fohlens kurz nach der Geburt via Muttermilch und via Koprophagie (Kotfressen des Fohlens in den ersten Lebenswochen) verhindern will.

 

3. Regelmässige Bewegung/Auslauf

Für eine gute Verdauung und auch für eine gute Kondition (die Geburt ist eine körperliche Höchstleistung!) sollte die Stute regelmässig Bewegung haben. Dazu gehört täglicher Weidegang, oder, falls dies nicht möglich ist, leichte Bewegung an der Hand oder geritten. Allerdings sollten keine abrupten Steigungen/Gefälle begangen werden, da vermutet wird, dass dabei die Gefahr einer Torsio uteri (Gebärmutterverdrehung) gefördert werden kann.

 

4. Überwachung

Nicht nur die Geburt ist schwierig vorherzusehen. Auch eine Kolik kann sehr rasch und unerwartet auftreten. Deshalb lohnt sich der Einsatz eines Überwachungssystems, sei es mittels Fohlen-Alarm-Gurten (die zBsp bei SOS Fohlen gekauft oder gemietet werden können, auch unsere Klinik vermietet eine beschränkte Anzahl solcher Gurten) oder einer Video-Überwachung (die natürlich nur funktioniert, wenn auch regelmässig nachgeschaut wird). Beide Systeme haben den Vorteil, dass man die Stute nicht stört.

 

Fazit:

Die Geburt eines gesunden Fohlens und eine gesunde, zufriedene Mutterstute sind der Höhepunkt in der Züchterkarriere. Auch wenn es niemals eine Garantie dafür gibt, so kann doch viel vorgesorgt werden, um dieses Ziel zu erreichen. Wir drücken allen unseren Züchtern die Daumen und wünschen ihnen von Herzen viel Erfolg.

 


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