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28. Juni 2017 - Kolik beim Fohlen
Nach der Geburt eines Fohlens ist die Freude gross, wenn es Mutter und Kind gut geht... leider können trotzdem noch Ereignisse eintreten, die zu lebensbedrohlichen Zuständen führen können. Deshalb gilt es, die ersten 24 Stunden gut zu überwachen, da auch nach einer scheinbar völlig unkomplizierten Geburt und einem normalen Verhalten (aufstehen und trinken bei der Mutter) immer noch erst zu einem späteren Zeitpunkt sichtbare Komplikationen möglich sind. Eine sehr gefürchtete Komplikation ist die Kolik beim Fohlen. Hier gilt es, rasch zu erkennen und zu handeln. Daher hier einige Infos die helfen können die Erkrankung schnell zu erkennen.
Symptome
Koliksymptome beim Fohlen äussern sich etwas anders als beim erwachsenen Pferd. Die Fohlen scharren nicht bzw. viel seltener und auch Schwitzen wird nicht unbedingt beobachtet. Oft trinken die Fohlen zu Beginn noch bei ihrer Mutter, allerdings eher weniger lang. Um beurteilen zu können, ob ein Fohlen zu wenig trinkt, schaut man sich am besten das Euter der Mama an. Wenn es leer aussieht, dann trinkt das Fohlen gut. Wenn es prall ist und evtl. sogar Milch spontan abläuft oder Milchspuren an den Hinterbeinen sichtbar sind, ist das ein wichtiger Hinweis, dass es dem Fohlen nicht gut geht! Normal trinkt ein Fohlen ca. alle 20 Minuten und legt sich nach dem Trinken schlafen.
Ein häufiges Symptom für Kolik beim Fohlen ist ein Strecken mit erhobenem Schweif, das Fohlen scheint eine Harnabsatzstellung einzunehmen ohne dabei Urin abzusetzen. Auch starkes Bauchpressen ist oft zu beobachten. Dabei kann es so stark pressen, dass dabei etwas Kot oder Urin (in ganz kleinen Portionen) abgesetzt wird. Wälzen und auf dem Rücken liegen bleiben, mit dabei in die Luft gestreckten Beinen, ist auch ein typisches Symptom. Der Schweregrad der Koliksymptome korreliert nicht zwingend mit dem Schweregrad der Erkrankung, was die Diagnose nicht einfacher macht.
Da der Begriff „Kolik“ keine eigentliche Diagnose ist, sondern nur schmerzhafte Zustände im Bauchraum darstellt, ist es wichtig, die Ursache der Kolik zu ermitteln. Dafür ist die exakte Beobachtung durch die betreuende Person sehr wertvoll. Je nach Alter des Fohlens kommen unterschiedliche Ursachen infrage.
Darmpech
In den ersten 12 Stunden nach der Geburt steht an erster Stelle das Darmpechverhalten. Darmpech, auch Mekonium genannt, ist der erste Kot, den das Fohlen noch vor der Geburt schon im Darm hatte. Das Mekonium ist von typisch dunkler Farbe (schwarzbraun) ganz im Gegensatz zu dem später einsetzenden „Milchkot“, der ockerfarben und damit viel heller ist (die Farbe ergibt sich als Folge der verdauten Milch). Das Darmpech ist von recht harter Konsistenz und von der Menge her erstaunlich viel, d.h. insgesamt etwa 30 cm lang (es wird aber in Teilstücken abgesetzt). Mit der ersten Milchaufnahme wird die Darmtätigkeit angeregt und dadurch auch das Absetzen des Mekoniums begünstigt. Wenn ein Fohlen nicht oder nur sehr wenig trinkt, kommt es gerne (sekundär, d.h. als Folge der mangelnden Milchaufnahme) zu einem verzögerten oder gar fehlenden Abgang des Darmpechs. Wegen des engeren Beckens neigen Hengstfohlen eher zu Darmpechverhalten als Stutfohlen. Als Folge des fehlenden Mekonium-Abgangs entwickelt sich eine schmerzhafte Verstopfung. Der Bauch des Fohlens erscheint dicker, es ist unruhig, wedelt oft mit dem Schweif, presst, tritt gegen den Bauch und beginnt sich zu wälzen. Wegen der Schmerzen trinkt es auch nicht mehr und so kommt es zu einem Teufelskreislauf. Aus diesen Ausführungen wird klar, wie wichtig es ist, Stute und Fohlen in einer ganz sauberen Box zu halten und das Fohlen in den ersten Stunden möglichst nicht aus den Augen zu lassen. Ansonsten kann das Absetzen des Mekoniums übersehen werden. Vorsichtige Besitzer sammeln das Mekonium ein und legen es – wie auch die inzwischen hoffentlich abgegangene Nachgeburt - zur Seite, so kann der Tierarzt/-ärztin diese bei der empfehlenswerten Kontrolluntersuchung kontrollieren. Wegen des bekannten Risikos führen einige Züchter bei jedem neugeborenen Fohlen prophylaktisch eine Klistierbehandlung durch. Dabei ist allerdings zu beachten, dass keine stark reizenden Substanzen (z.B. Rizinusöl oder Seifenlösungen) eingesetzt werden dürfen. Vom Tierarzt/-ärztin kann ein gut verträgliches Klistier bezogen werden, das eine einfache und schonende Applikation ermöglicht. Keinesfalls dürfen Schläuche oder Ähnliches in den Darm eingeführt werden, die Gefahr einer Verletzung des sehr zarten Darmes ist gross! Das wichtigste und auch das beste „Abführmittel“ ist die Muttermilch! Also sollte unbedingt sichergestellt werden, dass das Fohlen genug Milch aufnimmt, bei Unsicherheit am besten frisch von der Stute abgemolken und mit einem Schoppen verabreicht. Das hat den grossen Vorteil, dass man genau weiss, wie viel das Fohlen bekommen hat. Man muss auch nicht befürchten, dass das Fohlen nach einem Schoppen nicht mehr ans Euter geht. Im Gegenteil hilft die Stärkung (Fohlen haben keine Energiereserven bei der Geburt), am Euter anzudocken. Bestehen aber nach Milchaufnahme und Klistier immer noch Kolik bzw. fehlender Kotabsatz, muss der Tierarzt/-ärztin so rasch als möglich zugezogen werden. Dieser kann dann die richtigen Massnahmen vornehmen, z.B. krampflösende Medikamente spritzen oder spezielle Einläufe verabreichen. Im schlimmsten Fall muss operiert werden. Allerdings ist dies eine Operation, die mit einer schlechten Prognose verbunden ist, weshalb wenn immer möglich andere Therapien Vorrang haben, deren Einsatz von der individuellen Situation abhängen.
Harnblasenruptur
Eine andere, sehr wichtige Kolikursache beim Fohlen in den ersten 12-36 Stunden ist die Harnblasenruptur bzw. eine Urachusfistel. Der Urachus ist die Verbindung der Harnblase zum Nabel. Während der Trächtigkeit fliesst der Urin, der schon vor der Geburt vom Fohlen in kleinen Mengen produziert wird, via dieser Verbindung in die Amnionhöhle (Fruchtwasser) ab. Bei der Geburt sollte sich der Urachus verschliessen, damit der Urin via Harnröhre nach aussen gelangt. Wenn sich dieser Urachus bei der Geburt nicht verschliesst, kann es zu verschiedenen Konsequenzen kommen: Entweder fliesst der Urin via Nabel ab, was daran ersichtlich ist, dass der Nabel nach der Geburt nicht in kurzer Zeit abtrocknet oder sogar beobachtet werden kann, dass etwas Urin aus dem Nabel tropft, wenn das Fohlen normal Urin absetzt. Möglich ist aber auch, dass der Urin aus dem offenen Urachus nicht via Nabel nach aussen abläuft, sondern in die Bauchhöhle oder in die Unterhaut am Bauch und Präputium. Auch hier kann das Fohlen scheinbar normal Harn absetzen, allerdings evtl. kleiner Portionen, begleitet von übermässigem Pressen. Als dritte Möglichkeit besteht auch noch ein spontaner Riss der Harnblase (bei verschlossenem Urachus) bei zu starkem Pressen (z.B. bei Darmpechverhalten). Wir mussten dieses Jahr (2017) gleich 2 Fohlen mit diesem Problem operieren, glücklicherweise bei beiden mit gutem Ausgang! Es wird beschrieben, dass Fohlen mit Harnblasenstörungen beim Pressen den Rücken eher nach unten durchdrücken, während Fohlen mit Darmpechverhalten beim Pressen den Rücken eher nach oben durchbiegen. Grundsätzlich besteht aber kaum ein Unterschied in der Symptomatik. Gerade in den ersten Lebensstunden kann eine Unterscheidung dieser beiden wichtigen Kolikursachen schwierig sein. Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen (gegebenenfalls mit Kontrastmittel) können helfen, sind aber gerade im Anfangsstadium nicht eindeutig, weshalb beides angegangen wird. Bei Fortschreiten der Erkrankung wird es dann aber eindeutig. Fohlen mit Uroperitonäum (Urin im Bauch) entwickeln eine Störung der Elektrolyte im Blut, die unbedingt vor der notwendigen Operation korrigiert werden muss, weil es sonst zu tödlichen Narkosekomplikationen kommen kann.
andere Ursachen
Neben diesen zwei wichtigsten Kolikursachen beim sehr jungen Fohlen kommen noch andere, allerdings viel seltenere Ursachen infrage, wie z.B. das „Lethal White Syndrom“ (albinotische Fohlen aus einer Overo-Overo-Kreuzung, die mit einer Darm-Missbildung einhergeht) oder andere kongenitale (d.h. bei der Geburt bestehende) Missbildungen im Darm- oder Urogenitaltrakt, auf die wir hier aber nicht im Detail eingehen wollen.
Was kann man als Züchter/in tun?
- Fohlen in den ersten 24 Stunden intensiv überwachen, d.h. sicher stellen, dass es die Kolostralmilch aufnimmt, den Abgang des Darmpechs beobachten (evtl. beiseitelegen).
- Nabel kontrollieren (nicht mit blossen Händen anfassen, idealerweise aus Distanz besprühen mit einer milden Desinfektionslösung), auf Flüssigkeitsausritt aus dem Nabel achten. Der Nabel sollte rasch stark eintrocknen. Urinabsatz beobachten.
- Allgemeinverhalten beobachten:
- Ist das Fohlen aufmerksam?
- Trinkt es regelmässig und lange genug?
- Legt es sich nach dem Trinken hin?
- Zeigt es Pressreiz/Unruhe/Kolik?
Wenn ja, nicht zögern, den Tierarzt/-ärztin sofort zu rufen. Je früher eingeschritten wird, umso besser die Prognose. Wir sind froh, dass unsere Züchter und ihre Tierärzte/-ärztinnen in den uns vorgestellten Fällen früh genug handelten!